Pressespiegel

NZZ online | Dienstag, 13.11.2018

Johannes Brahms schreibt nach Zürich
Das Lübecker Brahms-Institut hat einen bis dato unveröffentlichten Brief des Komponisten erworben, in dem er einer bekannten Zürcher Sängerin launig zu ihrer Hochzeit mit seinem Kollegen Theodor Kirchner gratuliert.

[von pd]

Johannes Brahms war - was bei ihm nicht allzu häufig vorkam - bester Laune und in geradezu aufgeknöpfter Stimmung, als er am 14. Oktober 1868 einen dreiseitigen Brief an die seinerzeit hochangesehene Zürcher Sängerin Maria Schmidt verfasste. Er gratuliert ihr darin zur Hochzeit mit dem Komponisten und Pianisten Theodor Kirchner, der zum Freundeskreis um Brahms und Clara Schumann gehörte. Kirchner hatte sich im Juni 1868, für Brahms und viele Freunde überraschend, mit der jungen und bildhübschen Sängerin verlobt. Brahms war an der Verbindung des Künstlerpaars nicht unbeteiligt: Er hatte die Primadonna des Zürcher Theaters mit Kirchner bekanntgemacht.

Das bisher unveröffentlichte Schreiben tauchte in einem amerikanischen Antiquariat auf und konnte jetzt vom Brahms-Institut erworben werden. Wolfgang Sandberger, der Leiter des Instituts, kommentiert die wertvolle Erwerbung wie folgt: »Der Brief fügt sich perfekt in unsere Sammlung, die ja auch einen Teilnachlass von Theodor Kirchner umfasst. Das Schreiben zeigt, wie virtuos der immer wieder als schreibfaul dargestellte Brahms die Gattung Brief in Wirklichkeit beherrschte.« Mit seiner Briefanrede nehme Brahms die bevorstehende Eheschliessung, die am 15. Oktober 1868 in der Neumünsterkirche in Zürich Riesbach vollzogen wurde, spielerisch vorweg: »Sehr geehrtes Fräulein, (lies: gnädige Frau)«. Weiter schreibt er scherzhaft, dass sich »oben angedeutete Metamorphose grade zwischen Schreiben und Lesen« vollziehe.

Der Brief wird auch in das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Brahms-Briefwechsel-Verzeichnis aufgenommen, das auf der Website des BrahmsInstituts einsehbar ist. 6825 der insgesamt 10.871 bisher in diesem Verzeichnis erfassten Schriftstücke stammen aus der Feder von Brahms. Sie gingen an über tausend Briefpartner und stellen Brahms' Ruf als »Schreibefaulpelz«» infrage, mit dem er selbst oft kokettierte.


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